Die Biene - ein absolut
vollendetes Insekt

Im Laufe der Jahre ist mir dieses Insekt, die kleine Biene (Apis mellifica) zu einem achtungsvollen und liebgewonnenen Mitgeschöpf geworden. Die Ernte unserer Honigbiene: Honig, Wachs und Blütenpollen sind von erwähnenswerter, volkswirschaftlicher Bedeutung.

Wenn ich mir also eine Honigbiene aus der Nähe betrachte, so wird mir gewahr: Diese kleine Honigbiene ist nicht länger wie mein Daumennagel. Ihr Gehirn ist, wenn überhaupt, nur gering größer als ein Stecknadelkopf. Ihre Fülle (eine Biene wiegt 100mg somit wiegen 10.000 Bienen 1kg) ist so gering, daß 750.000 Bienen aneinandergereiht, die eine Länge von 10km ergeben - (eine Biene ist etwa 10 - 14mm lang) - nötig sind, um ungefähr das Gewicht eines Menschen von 75kg auf die Waage zu bringen.

Biene bei der Arbeit

Dieses kleine fleißige Wesen, unsere Honigbiene, ist nach meiner ganz persönlichen Meinung eines der wertvollsten Geschöpfe auf unserer Erde. So ist der Honig vor der Einführung des Rohrzuckers ebenso wie vor der Erfindung des Rübenzuckers die Hauptzuckerquelle gewesen. Seit etlichen Generationen ist er ein bemerkenswertes Nähr- und Heilmittel. Bienenwachs wird in den unterschiedlichsten Zweigen der Industrie zum Einsatz gebracht. Die Nachfrage ist so groß, daß sie kaum gedeckt werden kann und von daher auf Importe angewiesen ist. Der Nutzen unserer Honigbiene als Pollenüberträgerin, als Bestäuberin in Feldern, Wäldern und Gärten ist für uns unverzichtbar geworden. Obstbäume und Beerensträucher erhöhen ihre Anzahl an wohlgeformten Früchten um das 40fache und der Raps erhöht seine Samenausbeute um 20-30%, sofern die Pflanzen zur Blütezeit von unseren fleißigen Bienen besucht werden. 100.000 Arten blühender Pflanzen, vielleicht auch mehr, sind auf die Bestäubung durch Bienen angewiesen. Beachtenswerte Leistungen vollbringen unsere Bienen auch beim Pollensammeln. Ein Volk, das in Erlangen unter Beobachtung stand, trug an einem Tage 740g Pollen ein. Mehr als 50.000 fleißige Pollensammlerinnen eines Bienenvolkes sind bei ihrer Heimkehr in den Stock gezählt worden.

Unsere Honigbiene zeichnet sich immer wieder als ein geschickter Techniker aus. Alle ihre mathematischen und physikalischen Befähigungen übt sie jedoch nur gemeinsam im Team mit ihren Artgenossen aus. Ihre Wachsbauten sind Mysterien an Stabilität und Leichtigkeit. Die Wabe mit ihren dünnen Zellwänden kann 25 mal das Eigengewicht der Biene tragen. Bei der Konstruktion der üblichen, ausschließlich hexagonalen, sechseckigen Zellen beweisen die Immen ihre geometrischen Geschicklichkeiten. Sie zergliedern ihren Raum in Streifen. Von Wabenmitte zu Wabenmitte, von Mittelwand zu Mittelwand mißt der Wachsbau 35 mm. Die Passage ermöglicht zwischen den Waben im Bereiche der Brutzellen zwei bis drei Immen und zwischen den hochgezogenen Honigzellen einer Honigbiene Platz.

Viel kann ich von der Biene lernen, was mich immer wieder über das kurze Leben dieses kleinen Insekt's zum Staunen bringt. Bereits in der Vergangenheit sind in erster Linie durch die Arbeiten K. v. Frisch's besondere Charaktere und Intelligenzen der Honigbiene nachvollziehbar gedeutet worden, so z. B. die Bienensprache: Die erste Sammelbiene, die von einer neuen Trachtpflanze mit einer Fracht Nektar, die durchaus die Hälfte ihres eigenen Gewichts betragen kann, heimkehrt, informiert andere Arbeitsbienen durch Werbetänze, die sie auf der Wabe als Rund- oder als Schwänzeltanz - je nach der Entfernung zur Trachtquelle - vorführt. Weitere Sammlerinnen belagern sie dabei, tänzeln mit vorgestreckten Fühlern, den Wohlgeruch der angeflogenen Pflanzen riechend, hinter ihr drein und machen den Schautanz mit. Oftmals ist der Tanz dann schnell zu Ende und die Bienen verlassen den Stock, fliegen in die durch den Tanz angegebene Richtung, und finden dann ohne die Tanzbiene, ohne Zeitverlust, schnellstens die neue Bienenweide mit opulenter Nahrung. Durch diese Angewohnheit der Unterhaltung ergibt sich ein Minimum an Kräfteverlust.

Für die fleißig arbeitende Imme ist dies sehr bedeutsam. Cirka 145.000 Honigblasenfüllungen sind für 1kg Nektar erforderlich. Nicht weniger als 50.000 Nektarladungen werden für 1kg Honig benötigt, weil aus 3,6kg eingesammeltem, dünnfüssigem Blütennektar die Bienen nur 1kg Honig zubereiten können. Je nach dem, wie groß der Nektarreichtum ist, müssen dafür mehrere Millionen Blüten besucht werden, und die Sammlerinnen legen dabei eine Flugstrecke zurück, die dem mehrfachen Erdumfang entspricht. Daher kann ich gut verstehen, daß sich die Immen in der Hochsaison der Nektarernte rasch abnutzen.

Nach einem Mythos aus vergangener Zeit sollen unsere Honigbienen Astronomen sein, v.Frisch's Versuche haben das in gewisser Weise bestätigt. So benutzen die Bienen die Sonne als ihren hauptsächlichen Wegweiser. Die Zielrichtung des Schwänzeltanzes auf der Wabe veranschaulicht die Richtung der Sonne zur Trachtquelle. v. Frisch fand, daß die großen zusammengesetzten Augen der Biene, die aus je 4.000 bis 5.000 sechsseitigen Linsen bestehen, farbenblind für die Farbe Rot sind,daß sie dafür aber ultraviolettes Licht, das für uns Menschlein dunkel ist, durchaus sehen können. Nach seiner Beobachtug sind die Honigbienen sehr wohl in der Lage, polarisiertes Licht, das aus dem Himmelsgewölbe kommt, wahrzunehmen. Das Licht von jedem blauen Fleck am Himmel ist polarisiert, seine Schwingungsebene verändert sich mit dem Stand der Sonne. Bei seinen Modellversuchen fand v. Frisch, daß jeder Abschnitt des Himmels zur Sonne sein charakteristisches Muster hat, das von der Stellung der Sonne abhängig ist. Somit kann die Biene Muster erkennen, wo wir lediglich einen blauen Himmel sehen, und diese Muster dienen ihr als verlässlicher Kompaß am Himmelsgewölbe.

Wenn die Biene nun bei einer Blume zur Landung ansetzt, führt sie unweigerlich das ausströmende Aroma zum Nektar. Mit anmutigem Instinkt nimmt sie durch mehrere Tausend Nasenlöcher die Wohlgerüche wahr. v. Frisch lenkte durch Fütterungsversuche Honigbienen zu fast 40 Duftnoten, indem er sie mit wohlriechendem Zuckerwasser ernährte. Diese Duftlenkungsversuche finden nun auch in der Praxis vermehrt Anwendung, in erster Linie, um die Ausbeuten bei der Kleeblüte zu erhöhen. Die Imker haben zu diesem Zwecke Honigbienen vor dem Flug mit süßen, wohlriechenden Duftstoffen aus Kleeblüten gefüttert und sie darauf in die blühenden Kleefelder fliegen lassen.

Nach den Untersuchungen des amerikanischen Forschers Miles über den Duft- und Geruchssinn der Bienen gibt es auch Duftstrahlen. Wie aus seinen Arbeiten hervorgeht, empfangen die Geruchsnerven der Bienen infrarote Strahlungen, die als Gerüche wahrgenommen werden. Er nimmt an, daß die Geruchsorgane der Biene auch eine Art Sender enthalten, die sich wie Radargeräte verhalten. Treffen z. B. diese Wellen auf Nektar, dann werden sie von dort reflektiert und vermitteln der Biene einen Sinneseindruck.

Nektar und auch Honigtau sind die Grundsubstanz für unseren Bienenhonig. Lieber Honigfreund, auch wenn Du kiloweise Nektar sammelst, so hast Du am Ende noch nicht 1 Gramm Honig im Glas. Hier benötigen wir die Biene, um Nektar in Honig umzuwandeln. Fermente aus den Drüsensäften der Biene bewirken zum Teil schon die Veränderung auf dem Rückflug der Sammelbiene heim in den Stock. Endlich zu Hause, überreicht sie den gesammelten Nektar aus ihrer Honigblase, deren Inhalt - der von der Entfernung zwischen Nektarquelle und Stock abhängt - 20 bis 50 mg beträgt, anderen Stockbienen, die ihrerseits weitere wichtige Fermente hinzufügen, bevor sie die süße Flüssigkeit in offene Zellen eingießen. Der süße Saft verbleibt nicht darin, sondern wird noch mehrmals in andere Zellen umgetragen und dabei mit Fermenten, die u. a. Rohrzucker in Invertzucker (Trauben- und Fruchtzucker) umwandeln, bereichert, wobei der Feuchtigkeitsüberschuß von etwa 50 % auf 18 % verdunstet und der Nektar zum Honig heranreift. Groß ist der Honigbedarf eines Bienenvolkes. Außer 25 kg Pollen sind 150 bis 175 kg Nektar, der auf vielen Millionen Flügen von Arbeitsbienen gesammelt werden muß, erforderlich, um ein starkes Volk von Bienen den Sommer über zu ernähren.

Mitten in der aromatisch duftenden Dunkelheit der Beute bewirken viele tausend Zellen, umgeben von Honig- und Pollenkränzen, die Kinderstube des Bienenvolkes. Hier hat die Königin ihren Sitz, die nach ihrem Begattungsflug mehrere Jahre, ausgenommen im Winter, fast ununterbrochen mit der Eiablage beschäftigt ist. Gefüttert mit eiweiß- und fetthaltigem Futtersaft aus den Nährdrüsen im Kopf der Begleitbienen, wir nennen es heute auch Gelee Royal, legt sie oft in der Hauptlegezeit an einem Tage ihr eigenes Gewicht an Eiern, das sind 1.500 Stück an der Zahl. Während ihres Lebens vermag eine gute Königin mehrere 100.000 Eier zu legen. Jedes Ei entwickelt sich zu einer weißen Made, die in ihrer Zelle das ihr beständig von den Pflegebienen dargereichte Futter begierig verschlingt und verdaut. Sie vergrößert dabei ihren Umfang in 6 Tagen um das 550fache ihres ursprünglichen Gewichts. Das ist vergleichbar mit dem Massenwachstum eines 8 Pfund schweren Säuglings, der nach einer Woche 4.400 Pfund wiegen würde. Nach der Freß- und Wachstumszeit spinnt sich die Made in einen feinen Kokon ein, und die Ammenbienen verschließen die Zellen mit einem porösen Wachsdeckel. Im Verborgenen, im Puppenhäuschen, wird die Made zur Puppe, und allmählich bilden sich Augen, Beine, Flügel, Kiefer und Fühler. Am Ende der dritten Woche beißt sich die Jungbiene den Weg in die Freiheit. In einem starken Volk erscheinen täglich 1.000 neue Bienen aus dem Brutnest.

Jede einzelne Biene hat ihre ganz bestimmte Aufgabe im Bienenstaat, die dem Allgemeinwohl des Volkes zu Gute kommt. Einige Bienen sind mit saubermachen in den Zellen beschäftigt, andere dürfen die Maden füttern oder sorgen für das Wohl der Königin, die Jungbienen schwitzen Wachs und bauen, andere arbeiten am Honig und am Pollen, die Wächterinnen bewachen den Eingang zur Beute und viele andere fächeln, damit durch die Flügelbewegung frische Luft ins Innere der Beute gelangt und die verbrauchte Luft abziehen kann. Die ersten drei Wochen ihres Lebens arbeitet die junge Biene im Stock. Die Zeitabfolge der Berufungen wird durch Drüsen bedingt, die sich im Laufe der Zeit im Körper entwickeln. Im Anschluß verläßt die Stockbiene das aromatische Innenleben der Beute und tauscht es mit der Vielzahl an Blüten draußen im Garten, Feld, Wald und Flur als Sammlerin ein. Die zweite Lebenshälfte verbringt sie also als Sammelbiene im Absuchen der Trachtquellen nach Nektar und Pollen. Ab und zu wird auch mal Kittharz eingeholt. Ausgestattet mit unterschiedlichen Sinnesorganen, mit Augen, die Ultraviolett und polarisierte Strahlen sehen und empfinden, mit Flügeln, die ihr ermöglichen, pfeilgeschwind nach allen Richtungen zu fliegen, und nicht zuletzt mit einem Stachel am Hinterleibsende, mit dem sie ihr mühevolles Leben verteidigen kann, verlebt die Honigbiene die warmen Tage der Witterung außerhalb des Stockes, um für die kalten Tage Nahrung und Wärmematerial zu sammeln, denn Honig ernährt nicht nur, sondern erwärmt auch das Bienenvolk.

Während der Wintermonate setzt sich das Bienenvolk im Stock als eine lockere Traube zusammen, die sich entsprechend dem Temperaturanstieg oder -abfall, ausdehnt oder zusammenzieht. Es herrschen Leben und Bewegung innerhalb der Traube. So wird ständig der Körper einer jeden Biene erwärmt, der seine Wärme dann an die Umgebung abgibt. Das Gewimmel der Bienen außen, nennen wir sie einmal die Hautbienen, die die Oberfläche, die Außenkruste der Wintertraube bilden und am nächsten am Futter sitzen, unterbinden den Verlust der Wärme. In regelmäßigen Zeitabständen erfolgt eine Ablösung, sie nehmen Honig auf und geben ihn im Austausch gegen Wärme an die Bienen innerhalb der Traube weiter. Indem die Bienen so den Honig durch physische Bewegung in Hitze umwandeln, erwärmen sie ihren Stock. Auch wenn es bitterkalt ist, ist die Temperatur in der Wintertraube 20 bis 25° C, d. h. 40 bis 50° C höher als draußen. Durch diese außergewöhnliche Praxis der Überwinterung überlebt das Bienenvolk die kalten Monate. Sie allein - von allen Geschöpfen unseres Planeten - ist dieser Methode zum Überlisten des Winters fähig. Ihr bedeutsamer Insekten-Wärmeofen ist ein weiteres Privileg dafür, daß unsere Honigbiene etwas ganz besonderes unter den Insekten darstellt.